Engel der Vergessenen by Heinz G. Konsalik

Engel der Vergessenen by Heinz G. Konsalik

Autor:Heinz G. Konsalik [Konsalik, Heinz G.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-09-29T04:00:00+00:00


Die Operationen begannen eine halbe Stunde später.

Dr. Haller sah erfrischt aus, hatte sich geduscht und war voll Gift und Galle, als er Karipuri im weißen Operationsmantel und Mundschutz, ganz steril und nach Vorschrift, geduldig auf einem Hocker im OP warten sah. Die beiden neuen Ärzte und die vier Schwestern, kleine zierliche, hübsche Birmesinnen, Porzellanpüppchen für einen Nippesschrank, standen, freundlich lächelnd und Dr. Haller zunickend und ebenfalls von Bettina mit Sagrotan eingesprüht, an den gekachelten Wänden. Dr. Adripur hatte den ersten Patienten auf dem Tisch liegen, bereit zum Amputieren. Es war ein junger Mann, der mit ängstlichen Augen um sich blickte und dem Pala gesagt hatte, was man mit ihm machen wollte. Er zitterte heftig, man hatte ihn an dem OP-Tisch festgebunden, und als Dr. Haller eintrat, begann er ein eintöniges buddhistisches Gebet zu murmeln und weinte dabei.

»Ich grüße Sie, meine Damen und Herren!« sagte Haller laut. Bettina stand bereit mit Operationsschürze und dem sterilen Handschuhkasten. Haller, nur in weißer Hose und einem Unterhemd ohne Ärmel, begann seine Waschungen. »Das mag Ihnen blödsinnig erscheinen, sich hier so vorzubereiten, als operiere man in einer Großstadt, aber ich habe noch nie gehört, daß ein chirurgischer Eingriff auf einem Küchentisch andere Sterilisierungsregeln hat. Trotzdem ist es ein Behelf. Im Normalfall ist die aseptische Operationswäsche weiß, die septische blau, aber das können wir uns hier sparen, denn was wir hier operieren, ist durchwegs septisch.«

»Wollen Sie einen Anfängerkursus in Operationsvorbereitung halten, Herr Kollege?« rief Dr. Karipuri spöttisch. Haller nickte ernsthaft.

»Ich dachte, Herr Kollege, Sie sind durch langen Stillstand der Medizin entwöhnt.«

Karipuri lief dunkel an. Aber der Konterschlag folgte sofort. »Sind Sie wieder betrunken, Herr Kollege? Soll Dr. Adripur den Eingriff vornehmen?«

Haller lachte breit. »Ich lade die neuen Kollegen und die entzückenden jungen Schwestern ein, an mir vorbeizumarschieren und sich von mir anhauchen zu lassen. Bitte, wer fängt an? Sie, Herr Kollege?« Haller winkte einem der neuen birmesischen Ärzte.

Sie rührten sich nicht von der Wand. Sie sahen Haller aus zusammengekniffenen Augen an.

»Keiner?« Haller hielt die Hände vor. Bettina streifte ihm die Gummihandschuhe über. Siri stand hinter ihm und band ihm die Gummischürze um.

»Ich liebe dich –«, flüsterte sie, als sie in seinem Nacken die Bänder verknotete.

Es war eine altmodische Schürze, die noch kein festes Nackenband hatte.

Dr. Adripur hatte unterdessen mit der Narkose begonnen. In der Medikamentensendung war auch gutes Narkosematerial gewesen, man konnte jetzt wählen, aber es blieb immer nur die Wahl zwischen einer intravenösen und einer Inhalationsnarkose mit Äther.

Adripur leitete die Narkose ein mit einer Injektion von Eunarcon in die Vena cubiti. Langsam drückte er den Glaskolben leer, ließ dann die Nadel in der Vene, um später nachinjizieren zu können.

Dann stülpte Bettina die Schimmelbusch-Maske über die Nase des Patienten und begann mit dem vorsichtigen Tropfen des Äthers. Der stechende, widerliche Geruch verbreitete sich schnell im ganzen OP. Um die durch Äther verursachte starke Speichelsekretion abzustoppen, spritzte Adripur noch 1 mg Atropin.

Bettina kontrollierte die Reflexe, die Pupillen des Kranken reagierten nicht mehr auf einen starken Lichteinfall, als sie eine kleine Operationslampe vor seine Augen hielt. Das Stadium des tiefen Schlafes, die Toleranz, war erreicht.



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